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AutorenbildGeorg Fröschl

Behutsame Begegnung


Früher gab es in der Mitte mancher Dörfer einen Anger mit einer Wasserstelle, wo das Vieh getränkt werden konnte. Das war auch der Treffpunkt für die Dorfbewohner. Bei uns im Poysdorf war der Stadtbrunnen der Ort, wo sich die Jugendlichen am Sonntag verabredet haben. - Um einen Brunnen geht es auch im Evangelium des 3. Fastensonntags. Genauer gesagt: um den Jakobsbrunnen.


Ungewöhnliche Begegnung am Brunnen

Ich lade euch ein, mit mir gedanklich zu diesem Brunnen zu reisen. Wir werden Zeugen einer Begegnung: Jesus redet mit einer Samariterin. Das war damals ganz unüblich, dass erstens ein Mann öffentlich eine Frau anspricht und noch dazu ein Jude eine Samariterin. Auch die Zeit der Begegnung war unüblich: nicht am Abend oder am Morgen, sondern in der Mittagshitze, wo sich normalerweise wenig Leute beim Brunnen trafen.

Ich kann nur vermuten, dass die Samariterin einen Grund hatte, niemanden antreffen zu wollen: Vielleicht hat sie Menschenangst, vielleicht will sie sich schlechtem Gerede nicht aussetzen, vielleicht hat sie seelische Verletzungen, für die sie sich geschämt hat…

Jedenfalls tut ihr das Gespräch mit Jesus gut und es löst sich in ihr etwas, was sie auf einmal in Bewegung bringt, ganz lebendig macht und eine tiefe Sehnsucht in ihr weckt.


Brunnen als Symbol der Lebendigkeit

Für mich ist diese Bibelstelle auch eine Symbolgeschichte für das Fließen der Liebe.

Brunnen stehen für das Sprudeln der Liebe aus der Herzens-Tiefe.

Manchmal aber kann dieses Sprudeln in einem Menschen versiegen: durch Verletzungen und Enttäuschungen, durch Missbrauch und seelische Gewalt.

Nur ein behutsames Begegnen kann ein neues Fließen wieder ermöglichen. Jesus agiert so behutsam: er fragt und bittet. Er traut der Frau etwas zu. Er macht sich selbst zum Bedürftigen vor der Frau, obwohl er es ist, der viel zu geben hat.

Ich denke bei dieser Begegnung auch an einzelne Szenen von Märchen: zB. im Märchen Dornröschen fällt die Liebe in einen 100-jährigen Schlaf und das Leben erstarrt, bis ein behutsam Liebender Rettung bringt. Oder das vergiftete Schneewittchen wird von einem liebenden Prinzen wachgeküsst.

Das sind alles Bilder für eine tiefe Sehnsucht in jedem Menschen: dass die Liebe fließen möge. Denn sie allein schenkt Lebendigkeit.


Jesus der Brunnen der Liebe

Jesus ist der Brunnen göttlicher Liebe. Wer ihm begegnet, kann sich öffnen und auch seine Wunden und Fehler zeigen – und dadurch neu und lebendig werden wie die Frau am Jakobsbrunnen.

Zum Schluss etwas zum Schmunzeln:

Unlängst erzählt mir die Mutter von ihrem Erstklässler, der bei der Heimfahrt von den Großeltern im Auto plötzlich sagt: Schade, dass Jesus nicht mehr da ist. Ich hätte ihn so gern umarmt.




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